Glass panels that enable high-density interconnectors for advanced semiconductor packaging

Das Klima-Dilemma von KI – ist Glas die Lösung?

Innovative Hardware könnten der Schlüssel dazu sein, KI effizienter – und nachhaltiger – zu betreiben. Spezialglas spielt für die Energieeffizienz von modernen Computerchips eine entscheidende Rolle.

Quinn Myers

Von Quinn Myers

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Das rasante Wachstum von KI kollidiert mit den Realitäten unserer Klimakrise – doch Fortschritte bei Chipmaterialien wie Glas-Substraten bieten einen vielversprechenden Weg nach vorn.

  • Die steigende Nachfrage nach KI treibt den CO₂-Ausstoß in die Höhe und belastet die Stromnetze.

  • Herkömmliche Chipmaterialien stoßen an ihre physikalischen Grenzen.

  • Glas-Substrate ermöglichen effizientere, leistungsfähigere und thermisch widerstandsfähigere Chips.

  • Modernste Materialwissenschaft weist den Weg, um den Energie-Fußabdruck von KI im großen Maßstab zu verringern.

Auf der einen Seite eine aufstrebende Kraft: Künstliche Intelligenz (KI). Sie ist überall wahrzunehmen und bahnt sich, mal mehr mal weniger sichtbar, ihren Weg in das tägliche Leben der Menschen. Nach Angaben des Pew Research Center geben 34 % der US-amerikanischen Erwachsenen an, ChatGPT schon einmal verwendet zu haben. Im Vergleich zu 2023 hat sich damit der Wert beinahe verdoppelt. Und da die größten Technologieunternehmen der Welt jedes Jahr Milliardensummen in KI-Technologien, Infrastruktur und Werbung investieren, wird diese Zahl ganz sicher weiter steigen.

Auf der anderen Seite ein verletzliches Objekt: der Planet Erde. "KI verursacht einen enormen Anstieg des Energiebedarfs und belastet durch damit einhergehende CO2-Emissionen das Klima", schreibt Aaron Krol im Klimaportal des Massachusetts Institute of Technology. "Um diese Emissionen einzudämmen, braucht es mehr recheneffiziente KI-Modelle, energieeffizientere Rechenzentren und neue saubere Energie."

Das heißt, wir sind derzeit gefangen zwischen den physikalischen Grenzen unseres Planeten und dem exponentiellen Wachstum der energiehungrigen KI.

Die Klimabelastung durch KI

Dass generative KI enorme Mengen CO₂ verursacht, ist längst kein Geheimnis mehr. Der aktuellen Entwicklung folgend, prognostiziert die International Energy Association , dass sich der Energiebedarf von Rechenzentren weltweit bis 2030 mehr als verdoppeln wird – auf rund 945 Terawattstunden. Das entspricht in etwa dem heutigen Gesamtstromverbrauch von Japan.

Auch Microsoft und Google verzeichneten in den letzten Jahren zweistellige Zuwächse bei ihren Emissionen und machten dafür vor allem die KI-Nutzung und den Ausbau der dafür nötigen Infrastruktur verantwortlich. Doch warum ist KI eigentlich so energiehungrig? Letztlich hängt alles mit der enormen Rechenleistung zusammen, die nötig ist, um riesige Datenmengen gleichzeitig zu verarbeiten. Und mit der eingesetzten Hardware.

„Das Training von KI-Modellen erfordert riesige Datensätze, die über Wochen oder sogar Monate in energieintensiven Rechenzentren verarbeitet werden, meist mithilfe von GPUs oder TPUs“, erklärt Dr. Kai Two Feathers Orton, Head of Data Science bei AnitaB.org.

„Man kann sich das vorstellen wie tausende Hochleistungsrechner, die rund um die Uhr laufen, speichern und rechnen – und das über Monate hinweg.“

Lernen Sie Dr. Kai Two Feathers Orton kennen

Dr. Kai Two Feathers Orton ist kanadisch-amerikanische Staatsbürgerin und Expertin für Cybersicherheit, Datenverantwortung und KI-Governance – zugleich Wissenschaftlerin, Ethikerin und bildende Künstlerin. Mit über 20 Jahren Erfahrung in Non-Profit-Organisationen, Hochschulen und der Industrie entwickelt sie ethische, belastbare und inklusive Informationssysteme. Als ausgebildete Biophysikerin und KI-Forscherin ist ihre Arbeit tief geprägt von der Überzeugung, dass Technologie, Land und kulturelle Tradition untrennbar miteinander verbunden sind – und dass echte Nachhaltigkeit nur gelingt, wenn alle drei Dimensionen berücksichtigt werden. 
Image of Kai Two Feathers Orton

Neben dem Training von KI-Modellen erfordert auch die einfache Verwendung von Programmen wie KI-gestützte Suchmaschinen enorme Mengen an Rechenleistung. "Jedes Mal, wenn Sie generative KI eine Frage stellen, beginnt das Programm im Wesentlichen bei Null", erklärt Charles Yeomans, Gründer und CEO von Atombeam, einem Unternehmen, das sich auf die Optimierung der Effizienz von KI spezialisiert hat. "Es durchforstet im Wesentlichen alle verfügbaren Daten und stützt neue Antworten auf Wahrscheinlichkeiten. Bei jeder Anfrage wird dabei jedes Mal erneut wieder die gleiche Menge an Strom verbraucht."

Das Ergebnis, sagt Charles, "ist eine flache Energieverbrauchskurve, die im Laufe der Zeit nicht effizienter wird, egal wie häufig das System verwendet wird."

Auswirkungen von KI auf die Umwelt bereits messbar

In Santa Clara, Kalifornien, verbrauchen Rechenzentren jetzt 60 % des Stroms der Stadt, was die Stromrechnungen der Haushalte aufgrund des Strommangels immer weiter in die Höhe treibt. Berichte aus Oregon zeigen, dass Rechenzentren mehr als 25% der städtischen Wasserversorgung beanspruchen. Das macht kommunalen und landwirtschaftlichen Versorgungsunternehmen zu schaffen. Im Mai 2025 verursachten Diesel-Stromaggregate, die an Rechenzentren in Virginia angeschlossen waren, schätzungsweise 150 Millionen US-Dollar an Schäden für die öffentliche Gesundheit aufgrund von Umweltverschmutzung.

Weltweit prognostiziert das Umweltprogramm der Vereinten Nationen, dass KI-bezogene Infrastrukturen bald "sechsmal mehr Wasser verbrauchen werden als Dänemark, ein Land mit sechs Millionen Einwohnern."

"Es gibt immer noch vieles, das wir nicht über die Umweltauswirkungen von KI wissen. Aber einige der Daten, die vorliegen, sind schon heute besorgniserregend", schrieb Golestan (Sally) Radwan, Chief Digital Officer des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, in einem Bericht. "Wir müssen sicherstellen, dass der Nettoeffekt von KI auf den Planeten positiv ist, bevor wir die Technologie in großem Maßstab einsetzen."

Charles schließt sich dieser Meinung an. "Wenn wir den Kurs nicht ändern, wenn wir keine besseren Wege finden, KI zu betreiben, wird der Energieverbrauch von KI-Systemen schon bald mit den größten Nationen der Welt konkurrieren", sagt er. "Unsere Fähigkeit, so viel saubere, erneuerbare Energie zu produzieren wie nötig, ist einfach noch nicht da. Also werden wir gezwungen sein,  auf Energiequellen wie fossile Brennstoffe oder die Kernkraft zurückzugreifen."

Image of Charles Yeomans, Founder and CEO of Atombeam
Charles Yeomans, Gründer und CEO von Atombeam
"Ohne eine Verlagerung hin zu mehr Effizienz könnte KI in den nächsten zehn Jahren zu einem der größten Faktoren für den Klimastress werden."

Als indigene Wissenschaftlerin bringt Kai einen einzigartigen Blick in dieses Gespräch ein: "Im Gesundheitswesen kann KI Leben retten – aber wenn sie bei Systemen zum Einsatz kommt, die die Luft verschmutzen oder endliche Ressourcen abbauen, schaffen wir ein Ungleichgewicht", sagt sie.

Glücklicherweise zeichnen sich Lösungen ab. Eine, die sich bereits in der Entwicklung befindet, sind "kleine modulare Reaktoren oder SMRs", erklärt Charles. "Dies sind kompakte Kernkraftwerke, die Rechenzentren sicherer und sauberer mit Energie versorgen können als herkömmliche Kernkraftwerke. Sie spielen eine große Rolle innerhalb des aktuellen Diskurses, weil das Ausmaß des Energieverbrauchs von KI einfach so massiv ist."

Abgesehen von neuen Energiequellen, sagt er, liegt die größte Chance darin, KI selbst effizienter zu machen. "Weil Large Language Models nicht wirklich aus der Umgebung oder aus Interaktionen lernen, sollten wir Modelle entwickeln, die mit der Zeit effizienter werden", sagt er.

Neben der Entwicklung effizienterer Modelle und der Suche nach saubereren erneuerbaren Energiequellen fügt Kai hinzu, dass Tech-Unternehmen für ihren massiven Energieverbrauch zur Rechenschaft gezogen werden sollten. "Stellen Sie es sich wie einen Beipackzettel vor", sagt sie, "aber für den CO2-Ausstoß des Tools."

Doch selbst mit effizienteren Algorithmen erfordert KI immer noch eine enorme Menge an Rechenleistung, die Computerchips an ihre Grenzen bringt.

Seit Jahrzehnten sind siliziumtechnologiegetriebene Leistungssteigerungen bei Computerchips der Standard und liefern die Rechenleistung, die für heutige KI-Lösungen nötig ist. Doch mit steigenden Anforderungen stoßen diese Technologien und Materialien an ihre physikalischen Grenzen – beim Wärmemanagement, bei der Stromversorgung, der Effizienz und der Verbindungsdichte.

Um den Energiebedarf von KI zu decken, ohne das Klima weiter zu belasten, kann effizientere Hardware einen wesentlichen Beitrag leisten. Und das bedeutet zunehmend, über traditionelle Materialien hinauszugehen.

"Wenn die Leute das Wort 'Halbleiter' hören, stellen sie sich einen kleinen Siliziumchip vor, der auf einem größeren Silizium-Wafer basiert", erklärt Colin Schmucker, Business Development Manager bei SCHOTT Semicon Glass Solutions. „Diese Siliziumchips müssen verpackt werden, um zu funktionieren.“

Ein Halbleitergehäuse schützt dann die Silizium-Chips und liefert die elektronischen Schaltkreise, um Signale zum und vom Gerät zu leiten. "Die Gehäuse enthalten ein Substrat, das nach heutigem Stand typischerweise aus einer Mischung aus dielektrischem Polymer und Kupfer besteht", sagt Colin. "Die Geräte, die in Hochleistungsrechnern zur Unterstützung von KI verwendet werden, erfordern viel größere, komplexere Substrate und Gehäuse."

Eine vielversprechende Lösung für diese anspruchsvollen Anwendungen ist Glas. Als Kernmaterial des Substrats bietet es vielversprechende Vorteile: flachere Oberflächen, verbesserte thermische Leistung sowie höhere dimensionale und mechanische Stabilität.

"Durch das Einbringen einer Glasschicht – „Glass Core“ oder Glaskern genannt – in die normalen dielektrischen und Kupferschichten, können Substrate größer, flacher und mit komplexeren Strukturen hergestellt werden", fährt Colin fort. Das bedeutet, dass Glass Core Substrate eine kompaktere Verpackung der Chip-Komponenten und eine Miniaturisierung der Strukturen ermöglichen.

Wie kann Glas unsere Halbleiterchips befeuern?

Traditionelle Chips nähern sich ihren physikalischen Grenzen. Die Halbleiterindustrie steht an einem Scheideweg. Experten erklären, welche Materialeigenschaften Glas zu einer vielversprechenden Lösung machen.

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Mit anderen Worten: Glas packt mehr Rechenleistung in weniger Material, was zu einer geringeren Menge an Chips, reduzierter Materialverschwendung und weniger Energieverbrauch führt. Diese Art von Effizienzgewinn macht KI nicht nur schneller und billiger, sondern auch nachhaltiger.

Dank Glas einen großen Schritt nach vorne

"Die Leistung, die für die Ausführung von KI-Anwendungen benötigt wird, wächst exponentiell", erklärt Colin. "Massive Investitionen in die Energieinfrastruktur sind notwendig, um die notwendige Rechenleistung mit Strom zu versorgen. Wenn Glas auch nur einen Bruchteil dieser Energie einsparen kann, trägt es erheblich zur Gesamt-Energieeinsparung bei KI-Anwendungen bei."

„Glassubstrate könnten einen echten Unterschied machen, wenn es um die Effizienz von KI-Systemen geht", sagt Vipul Jain, KI-Experte und Gründer von Sprout Innovate. "Schon ein verbessertes Wärmemanagement führt zur Einsparung von Energie für die Kühlung, was einen Großteil des Stromverbrauchs von Rechenzentrum ausmacht."

Selbst geringe Einsparungen des Stromverbrauchs auf Chipebene könnten zu massiven, globalen Energieeinsparungen führen. "Wenn die Effizienz moderner Chips verdoppelt würde, könnte dies den Einsparungen des Stromverbrauchs eines ganzen Landes wie Japan entsprechen", fährt Vipul fort. "Wenn diese Technologie also skaliert wird, ist es nicht nur ein Gewinn für die Hardware. Es ist ein Schritt in Richtung einer echten Dekarbonisierung auf Infrastrukturebene."

Durch den Übergang zu leistungsfähigeren und energieeffizienteren Halbleitergehäusen auf Glaskernbasis können wir den Energie-Fußabdruck von KI erheblich reduzieren.

Kai betrachtet die Auswirkungen der Senkung des Energieverbrauchs von KI aus einer ganzheitlicheren Sicht.

"Alles ist miteinander verbunden – Land, Wasser, Menschen und Technologie – aber wenn wir weiterhin KI entwickeln, ohne den Energiebedarf der Systeme zu optimieren, riskieren wir, genau die Systeme zu beschädigen, die das Leben erhalten", sagt sie. "Deshalb glaube ich, dass nachhaltige KI dem Menschen und dem Planeten helfen kann."

Eins ist klar: Glas wird die Klimakrise nicht alleine lösen können. Da KI jedoch immer mehr Einzug in unseren Alltag findet, leisten Innovationen wie Verpackungen von Computerchips auf Basis von Spezialglas einen realen Beitrag zur Emissionssenkung – ohne den Fortschritt zu bremsen. Und das könnte den Unterschied dabei machen, wenn es darum geht, die unaufhaltsame Kraft so zu lenken, dass sie unserem verletzlichen Planeten, keinen Schaden zufügt.