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Geometric reflective waveguides

Smart Glasses – Der Durchbruch verbirgt sich im Glas

Nach Jahren ernüchternder Ankündigungen könnte die Zukunft von Augmented Reality weniger von Chips oder Software abhängen – sondern davon, wie Licht durch Glas geführt wird.

Quinn Myers

Von Quinn Myers

7 min read

Ein Durchbruch im Bereich Augmented Reality (AR) könnte nicht mehr nur von Software oder Designs von smarten Brillen abhängen, sondern vielmehr von Wellenleitern aus Spezialglas – diese definieren, wie sich das digitale Bild in Form von Licht innerhalb von Glas bewegt.

  • AR-Designs standen lange für klobige Designs, Displays mit begrenzter Helligkeit und hohem Energiebedarf.
  • Geometric Reflective Waveguides nutzen mikroskopisch kleine Spiegel, um Licht effizient im Glas zu führen. SCHOTT ist das erste Unternehmen, das diese Technologie in die Serienfertigung bringt.
  • Als Brillengläser auf Basis von optischem Glas ermöglichen sie leichte, alltagstaugliche Datenbrillen.

Lange bevor Ingenieure digitale Overlays in Datenbrillen entwickelten, kämpfte Benjamin Franklin mit einem Problem der menschlichen Wahrnehmung. Um 1784 sah sich der damals jugendlich wirkende 78-Jährige zunehmend genervt davon, zwischen zwei Brillenpaaren zu wechseln, um verschwommenes Nah- und Fernsehen auszugleichen.

Während einige findige Optiker mit aufwendigen Brillengestellen experimentierten, war Franklins Lösung erstaunlich schlicht: Er zerschnitt die Linsen beider Brillen und fügte sie in einem einzigen Rahmen zusammen. In einem Brief an seinen Freund George Whatley schrieb er, er sei „glücklich über die Erfindung der Doppelbrille, die für entfernte Objekte ebenso diene wie für nahe und meine Augen wieder so nützlich macht wie früher.“

Diese „Doppelbrille“ wurde bald als Bifokalbrille bekannt – ein kreativer Eingriff in die Glasverarbeitung, der grundlegend änderte, wie Menschen sich in der Welt bewegten. Jahrhunderte später sorgt eine ähnlich radikale Neuinterpretation von Gläsern erneut für einen Durchbruch – diesmal für Augmented Reality.

 

Technologie am Wendepunkt

Seit Jahrzehnten verfolgen Ingenieure den Traum, gewöhnliche Brillen in intelligente Gegenstände zu verwandeln – Brillen, die digitale Informationen nahtlos auf die reale Welt legen und sie dadurch erweitern (to augment sth. = engl. für „etwas erweitern“). 

Die Pionierin hinter der modernen Optik

Fast zwei Jahrhunderte nachdem Benjamin Franklin zwei Gläser in Bifokallinsen kombinierte, definierte eine deutsche Glas-Chemikerin namens Marga Faulstich neu, woraus Linsen überhaupt bestehen konnten.

Als sie 1935 zu SCHOTT kam, entwickelte Faulstich dünne Glasbeschichtungen mit, die später grundlegend für Brillen, Sonnenbrillen, entspiegelte Optiken und moderne Fassadenmaterialien wurden. Über vier Jahrzehnte hinweg stieg sie zur ersten weiblichen Führungskraft bei SCHOTT auf und war an der Entwicklung von mehr als 300 Spezialgläsern beteiligt – darunter das Leichtgewicht-Brillenglas Schwerflint 64.

In vielerlei Hinsicht bereitete ihre Pionierarbeit in der Glas-Chemie und der optischen Leistungsfähigkeit den Weg für heutige AR-Waveguides.

 
Marga Faulstich
Marga Faulstich – Glaschemikerin und Pionierin, deren Durchbrüche moderne optische Materialien entscheidend geprägt haben.

Doch die Technologie blieb lange an der Schwelle zwischen Vision und Machbarkeit. Trotz immer kleinerer und leistungsstärkerer Chips blieben AR-Brillen oft zu schwer, zu energiehungrig oder scheiterten an fehlenden Fertigungskapazitäten für eine breite Verfügbarkeit zu attraktiven Preisen.

Nach Jahren von erfolglosen Prototypen zeigt sich nun: Der Durchbruch, der Smart Glasses endlich den Weg in die breite Masse ebnet, ist der Materialwissenschaft zu verdanken.

Ein Mann hält eine Datenbrille mit Geometric Reflective Waveguides in der Hand.

Prüfung von Waveguide-Prototypen in consumernahen Brillenfassungen – ein entscheidender Schritt, um die Technologie aus der Forschung in fertigungstaugliche AR-Geräte zu überführen.

Auf den ersten Blick wirken die Brillengläser wie gewöhnliches Glas. Doch im Inneren liegt eine Kaskade mikroskopisch kleiner Spiegel – jeder einzelne exakt ausgerichtet, um Licht von einem Projektor im Bügel der Brille durch das Glas ins Auge des Trägers zu leiten. Das Ergebnis ist ein Bild, das scheinbar frei im Raum schwebt und sich nahtlos mit der realen Umgebung verbindet.

Traditionelle AR-Linsen – sogenannte „Waveguides“ oder Wellenleiter – basieren historisch auf dem Prinzip der „Beugung“ (Diffraktion). Diese „diffraktiven Waveguides“ nutzen Nanostrukturen, sogenannte „Gratings“, die Licht durch Brechung und Aufspaltung lenken.

Ein anderes optisches System führt Licht hingegen über kontrollierte Reflexion statt über Beugung ins Auge. Diese spiegelbasierten Wellenleiter heißen Geometric Reflective Waveguides. Diese Unterscheidung, sagt Dr. Ruediger Sprengard, Head of Augmented Reality bei SCHOTT, macht ihren technologischen Vorsprung aus.

„Reflective Waveguides erhalten Helligkeit und Bildschärfe bei geringerem Energieverbrauch“, erklärt er. „Sie ermöglichen das immersive, ganztägig tragbare Erlebnis, das die AR-Industrie seit Jahren sucht.“

Dieses System reduziert eine der größten Design-Herausforderungen von AR Smart Glasses: das Gewicht. Anstatt externe diffraktive Schichten zu nutzen, wird die reflektierende Architektur direkt ins Glas eingebracht – ein Paradigmenwechsel, der leichte, tragbare Geräte ermöglicht, ohne Klarheit oder Sichtfeld einzubüßen. Dieses Gleichgewicht erfordert Präzision im Nanometerbereich in jedem Fertigungsschritt.

Vom glühenden Sand zum mikroskopischen Spiegel

Die Grundlage eines jeden Waveguides bildet Sand – Quarz, vermischt mit ausgewählten Metalloxiden und geschmolzen bei rund 1.600 °C. Das flüssige Glasband kühlt anschließend in einem sorgfältig kontrollierten Prozess ab, dem sogenannten Abkühlen oder „Annealing“. Dieser Kühlungsprozess kann je nach Spezifikation des optischen Glases mehrere Wochen dauern. Da selbst mikroskopische Unregelmäßigkeiten im Glas zum Streuen von Licht führen können, ist Präzision auf atomarer Ebene entscheidend.

Nach dem Abkühlen wird das Glas zu ultra-flachen optischen Wafern mit exakt kontrollierten Oberflächen verarbeitet. Diese Wafer werden anschließend für Reinraumprozesse vorbereitet. Dort erhalten sie fortschrittliche Beschichtungen, die sie in halbdurchlässige Spiegel verwandeln – die Grundlage der anspruchsvollsten AR-Optiken.

„Man stellt nicht einfach Glas her – man formt, wie sich Licht in seinem Innern verhält“, erklärt Ruediger Sprengard. „Deshalb liegt unsere Expertise nicht nur im optischen Glas selbst, sondern in seiner Verarbeitung und Skalierung bis hin zur Serienfertigung.“

 
    A SCHOTT employee wears protective gear to operate the hot glass melting production.
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    Specially formulated melted glass collects into cubes before become geometric reflective waveguides for AR smart glasses.
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    Molten hot glass cools in a cube before become geometric reflective waveguides for AR smart glasses.
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    Glass cools into cubes before processing
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    Ultraflat optical AR wafers drying before special processing into waveguides
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    Ultra-flat optical wafers with precisely controlled surfaces
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    Als erstes Unternehmen weltweit, das Geometric Reflective Waveguides in Serienfertigung produziert, sorgt die vollständige vertikale Integration von SCHOTT für Konsistenz, beschleunigte Produktion und wirtschaftliche AR Smart Glasses der nächsten Generation.

    „Um eine Serienfertigung zu erreichen, mussten Design und Skalierbarkeit gemeinsam weiterentwickelt werden“, betont Ruediger Sprengard. „Jede Schicht, jeder Reflexionspfad musste sowohl optisch als auch materialtechnisch verstanden werden.“

     

    Blick nach vorn

    Benjamin Franklin suchte nicht nach Ruhm – er löste ein Problem. In ähnlicher Weise verfeinern Ingenieure heute AR-Waveguides nicht aus Spaß an der Freude, sondern im Sinne der Nutzbarkeit. Es ist die gleiche Grundmotivation: unsere Werkzeuge so zu gestalten, dass sie weniger wie Technologie wirken und mehr wie eine natürliche Erweiterung von uns selbst.

    „Jahrelang war das Versprechen leichter, leistungsstarker Smart Glasses in großer Stückzahl unerreichbar“, sagt Sprengard. „Mit der Skalierung von Geometric Reflective Waveguides helfen wir unseren Partnern, die Schwelle zu wirklich tragbaren und erfolgreichen Produkten zu überschreiten.“

    Solche Durchbrüche bringen AR und Smart Glasses einer Zukunft näher, in der Technologie alltagstauglich, zuverlässig und menschlich wird – ein Werkzeug, das schlicht funktioniert, wie Franklin es ausdrückte: „damit unsere Augen so nützlich sind wie eh und je.“

     

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