SCHOTT in Mainz Climate neutral

Die größte Herausforderung unserer Zeit

Die Umstellung der Wirtschaft auf CO2-Neutralität ist unumgänglich. Doch es wird ein langer, anspruchsvoller Weg sein, der unternehmerischen Mut und Durchhaltevermögen erfordert.

Dr. Jens Schulte, SCHOTT CFO

Von Jens Schulte

8 min read

tl;dr: SCHOTT CFO Dr. Jens Schule spricht über die Klimaziele und Herausforderungen des Glasherstellers.

  • SCHOTT strebt eine klimaneutrale Glasproduktion bis 2030 an, die derzeit energieintensiv ist und hohe Kohlenstoffemissionen verursacht.
  • Elektrifizierung und Wasserstofftechnologie sind neben der Digitalisierung und den erneuerbaren Energien der Schlüssel zur Emissionsreduktion.
  • Eine enge Zusammenarbeit zwischen Politik und Industrie ist entscheidend für eine erfolgreiche Transformation. Die Umstellung der Glasproduktion führt zu energieeffizienten Verfahren und innovativen, klimafreundlichen Produkten.

Nehmen Sie sich ein paar Sekunden Zeit und stellen Sie sich eine Welt ohne Spezialglas vor.

Es gäbe keine sicher verpackten Medikamente, keine Smartphones, keine Mikroskope für Wissenschaftler, keine Teleskope, mit denen man tief ins Universum schauen könnte. Es gäbe keine Nanolithographie, um die Prozessgenauigkeit in der Halbleiterproduktion zu gewährleisten. Ohne Glas gäbe es keine so leistungsfähigen Computerchips. 

Spezialglas ermöglicht faszinierende Lösungen, die andere Materialien einfach nicht bieten können. Tatsächlich gibt es kaum einen Bereich der Technik – sei es die Elektronik, die Automobilindustrie oder die Biomedizin – der ohne es möglich wäre.

Wenn mich Leute nach Glas fragen, sage ich ihnen, dass es eines der ältesten Materialien der Welt ist, und dass wir bisher nur an der Oberfläche der Möglichkeiten gekratzt haben. Glas spielt auch eine wichtige Rolle bei der Erreichung klimapolitischer Ziele. So verstärken beispielsweise Solargläser und Glasfasern die Rotoren von Windkraftanlagen. Ohne Glas wäre die Energiewende also gar nicht möglich.

Dr. Jens Schulte, SCHOTT CFO

Klimaneutral bis 2030: Als Verantwortlicher für die Klima-Initiativen von SCHOTT engagiert sich CFO Dr. Jens Schulte für eine nachhaltige Zukunft.

Glas: In der Herstellung sehr energieaufwendig

Auch wenn Glas uns beim Erreichen so einiger Meilensteine geholfen hat, ist seine Herstellung immer noch ein sehr energieintensiver Prozess. Ähnlich wie in der Zement-, Kalk-, Stahl- und Chemieindustrie steht es als Primärmaterial am Anfang der Wertschöpfungskette. Die Glasherstellung erfordert Temperaturen von bis zu 1700°C, um die Rohstoffe in riesigen Schmelzwannen, so groß wie Schwimmbecken, zu schmelzen.

Der kontinuierliche Schmelzprozess läuft 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr und das bis zu zehn Jahre lang. Man kann ihn nicht einfach abschalten, weil das Glasbad schon auf die Geringsten Temperaturunterschiede reagiert. Selbst wenn die Energiezufuhr nur für kurze Zeit reduziert wird, kann das Glas erstarren und die Wanne zerstören.

Heute wird hauptsächlich Erdgas zur Beheizung von Schmelzwannen verwendet. Dies wiederum verursacht hohe CO2-Emissionen, die zu 80 Prozent aus der Verbrennung von Erdgas stammen.

Blick in den Glasofen mit orangener Glut

Für die Glasproduktion werden Temperaturen von bis zu 1700 °C benötigt.

SCHOTT Mitarbeiter in Schutzkleidung blickt zum Glasofen

Der kontinuierliche Schmelzprozess läuft 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr – und verlangt unglaublich viel Expertise und Hingabe.

Der Wandel muss kommen

Das muss sich ändern, denn die Verschiebung der globalen Klimazonen ist die größte Herausforderung unserer Zeit.

Wir alle müssen bei der Bewältigung dieser Herausforderung Verantwortung übernehmen. Die Gesellschaft, die Politik und auch Unternehmen. Um das Gesamtziel der Dekarbonisierung zu erreichen, sind massive Veränderungen in ganzen Branchen erforderlich. Aufgrund ihrer Energieintensität kommt der Glasindustrie bei der Verwirklichung dieses Ziels eine besondere Verantwortung zu. Langfristig muss sie sich von fossilen Brennstoffen verabschieden und damit ihre Emissionen reduzieren.

Deshalb hat sich SCHOTT als weltweit einflussreicher Spezialglashersteller das klare Ziel gesetzt, als erster Akteur in der Branche bis 2030 in seiner Produktion klimaneutral zu werden (basierend auf dem Greenhouse Gas Protocol Scope 1+2). Dies ist ein sehr ehrgeiziges Vorhaben mit vielen unbeantworteten Fragen. Doch ich bin fest davon überzeugt, dass dieser Weg der einzig richtige ist. Die Gesellschaft braucht mehr Institutionen, die sich ehrgeizige und anspruchsvolle Ziele setzen, um in ihren Branchen eine Vorreiterrolle einzunehmen.

Es ist klar, dass wir Erdgas durch alternative Energiequellen ersetzen müssen, um den Glas-Herstellungsprozess klimaneutral zu gestalten. Verglichen mit allen anderen Aspekten, die bei der Verwirklichung einer klimaneutralen Energiewende eine Rolle spielen, ist der Technologiewandel die stärkste Herausforderung für die globale Industrie.

Bei SCHOTT besteht die größte Herausforderung darin, den gesamten Produktionsprozess umzugestalten. Dies erfordert eine massive Änderung der Art und Weise, wie wir Glas herstellen. Langfristig wollen wir auf die Nutzung fossiler Brennstoffe verzichten, wo immer dies technologisch möglich ist. Deshalb konzentrieren wir uns bei der Entwicklung neuer Technologien auf den energieintensivsten Prozessschritt: die Glasschmelze. Zwei wesentliche Transformationspfade stehen dabei im Zentrum unserer Forschung: die Elektrifizierung und die Wasserstofftechnologie. Elektrizität aus erneuerbaren Energien spielt bei beiden Ansätzen eine entscheidende Rolle.

Der Weg zur Klimaneutralität wird durch einen weiteren Megatrend unserer Zeit erheblich beschleunigt: die Digitalisierung. Wir setzen bereits auf künstliche Intelligenz und Big-Data-Lösungen, um den Schmelzprozess effizienter zu gestalten. Neue Sensoren und Technologien helfen dabei, die an den Schmelzwannen erfassten Massendaten besser zu strukturieren, automatisch zu analysieren und für Prozessverbesserungen zu nutzen. Dadurch können Verfahrensingenieure und Techniker die komplexen Zusammenhänge schneller erkennen und gezielter eingreifen. Und das führt wiederum zu einer Verbesserung der Prozessstabilität und zu einer höheren Ausbeute – kurzum zu einer weiteren Steigerung der Effizienz.

Wir können nur gemeinsam erfolgreich sein

Ich bin überzeugt, dass dieser Wandel erfolgreich sein kann. Erste Ergebnisse aus unseren Forschungs- und Entwicklungsabteilungen sind bereits sehr vielversprechend. Dennoch können wir nur durch eine enge Zusammenarbeit mit der Politik und Industrie einen tatsächlichen Wandel erreichen. Die Herausforderung ist viel zu groß, um sie allein zu bewältigen. Es geht schließlich um die Umgestaltung der gesamten Branche.

Welche Rahmenbedingungen sind für eine erfolgreiche Transformation der industriellen Produktion in Deutschland notwendig? Und wie lassen sich Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit verbinden?

Meiner Meinung nach bedürfen die folgenden fünf Punkte einer Veränderung:

Finanzielle Unterstützung während des gesamten Prozesses:
Wir brauchen eine starke Forschungsförderung, um neue, klimafreundliche Technologien zu entwickeln. Das bedeutet auch Förderprogramme für die hohen Investitionskosten, die durch den technologischen Wandel entstehen. Und wir brauchen Unterstützung bei den zusätzlichen Kosten, die durch die Nutzung alternativer Energiequellen, wie etwa Ökostrom, entstehen.

Beschleunigung der Genehmigungs- und Finanzierungsverfahren:
Die Genehmigungsverfahren werden eine große Hürde darstellen. Dies gilt sowohl für die Glasindustrie als auch für den Auf- und Ausbau der Energieversorgung mit erneuerbaren Energien im Allgemeinen. Leider dauern viele Genehmigungs- und Finanzierungsverfahren sehr lange. Das muss sich ändern.

Verfügbarkeit von grünen Energiequellen:
Das Angebot an grünen Energiequellen muss ausgebaut werden. Neben grünem Strom werden vor allem grüner Wasserstoff und – als Brückentechnologie – Bioenergie benötigt. Die Glasindustrie braucht eine zuverlässige, kontinuierliche und ununterbrochene Versorgung mit grüner Energie. Das erfordert auch effiziente Übertragungs- und Verteilungsnetze.

Wettbewerbsfähige Preise:
Alternative Energiequellen müssen in ausreichender Menge und zu wettbewerbsfähigen Preisen verfügbar sein.

Eine nationale Energiestrategie:
Wie wir im letzten Jahr schmerzlich erfahren haben, muss all dies in eine strategischere Politik der Energieversorgung in Deutschland und Europa eingebettet werden. Dabei geht es nicht nur um die Festlegung des richtigen Energiemixes, sondern auch darum, woher die Energieversorgung kommt und welche strategischen Abhängigkeiten wir heute und in Zukunft haben.

River running through forest

Klimaneutral bis 2030

Um den Herausforderungen des fortschreitenden Klimawandels zu begegnen, hat sich SCHOTT ehrgeizige Klimaziele gesetzt und in seiner Unternehmensstrategie verankert. Bis 2030 möchte das energieintensive Unternehmen klimaneutral werden. Nach dem Prinzip „Vermeiden – Reduzieren – Kompensieren“ verfolgt SCHOTT einen Aktionsplan zur Dekarbonisierung auf Basis von vier Handlungsfeldern. Erfahren Sie mehr zur Motivation und den Lösungsansätzen im Whitepaper "Klimaneutral bis 2030".

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Seit Tausenden von Jahren hat Glas diverse Produkte und fortschrittliche Technologien ermöglicht. Nun liegt es an unserer Branche, all unser Wissen in die Umgestaltung unserer Produktionsprozesse zu stecken. Diese deutlich energieeffizienter und klimafreundlicher zu machen, schafft gleichzeitig Optionen für Produkt-Innovationen, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Wir bei SCHOTT sind uns bewusst, dass es nicht einfach sein wird, klimaneutral zu werden. Es erfordert klare Ziele, Entschlossenheit, eigene Investitionen und viel harte Arbeit. Wir sind jedoch der Meinung, dass wir alle dafür verantwortlich sind, den Planeten für die Zukunft zu bewahren, und dass wir alles in unserer Macht Stehende tun müssen, um den Klimawandel zum Wohle künftiger Generationen aufzuhalten.

Dieser Text erschien zuerst im Magazin „The Stern Stewart Periodical“.

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