Glasherstellung

Transparenz mit Thermodynamik
Thermodynamische Modelle dienen der Vorhersage von Glaseigenschaften und bringen Einsicht in die Reaktionsabläufe bei der Herstellung von Gläsern und vielkomponentigen Industrieerzeugnissen.
Wie kann man ein Glas herstellen, das genau das gewünschte Eigenschaftsprofil aufweist oder bestimmte Belastungen besonders gut verträgt? Bereits im 19. Jahrhundert erkannte Otto SCHOTT als einer der Ersten, dass ein so anspruchsvolles Vorhaben mit dem Prinzip „Trial and Error“, also durch das Ausprobieren per Experiment, allein nicht realisierbar sei. Stattdessen müsse der aufwendige experimentelle Ansatz durch ein wissenschaftlich fundiertes Verständnis der Materie im flüssigen und festen Zustand inspiriert und dirigiert werden. Seither war ein bemerkenswerter Fortschritt zu verzeichnen, besonders auf den Gebieten der Mineralogie, Geologie, Metallurgie und dem Chemieingenieurwesen. Leistungsfähige und praxisnah arbeitende Modelle wurden entwickelt. Leider hat das Glas mit den neuesten Entwicklungen nie ganz Schritt gehalten. Die Glastechnologen blieben jahrzehntelang mehr oder weniger auf den mühsamen Weg des Ausprobierens angewiesen. Natürlich verbesserte die zunehmende Menge an verfügbaren experimentellen Daten die Situation. Experimentelle Daten wurden in umfangreichen Datenbanken zusammengetragen, verknüpft, statistisch ausgewertet und, wenn nötig, in das unbekannte Terrain noch unerforschter Glaszusammensetzungen extrapoliert. Diese Vorgehensweise kann man allerdings nur als Behelf betrachten. Sie bringt uns keine neuen Erkenntnisse und schafft somit auch keine Grundlage für Innovationen.
Struktur oder spezifische Wärme: der thermodynamische Blickwinkel

Illustration der strukturellen und (thermo)dynamischen Sichtweise des Glases Die Abbildung verdeutlicht das an einem Beispiel. Hier werden Na+ Ionen in einem Kalknatron-Silicatglas durch große K+ Ionen ersetzt. Das strukturelle Bild veranschaulicht, dass ein solcher Ionenaustausch eine Druckspannung in der Glasmatrix aufbaut (was tatsächlich der Fall ist; der Effekt wird zum chemischen Vorspannen von Glas genutzt). Aber nur das thermodynamische Bild zeigt, dass die Einlagerung eines K+ in ein Silicatglas energetisch günstiger ist als die eines Na+, selbst wenn sich das K+ quasi in die Glasstruktur hineinquetschen muss und dadurch eine mechanische Spannung erzeugt.
Ein Modell zur Beschreibung von Glas

Vergleich modellierter und experimentell bestimmter Auflösungsgeschwindigkeiten von Gläsern. Die Abbildung links veranschaulicht die Genauigkeit des Modells für ein pH-Elektrodenglas, das einer Salzlösung ausgesetzt wurde. Das Diagramm rechts zeigt die Ergebnisse einer Desktop-Entwicklung mit dem Ziel einer völlig anderen pH-Abhängigkeit der chemischen Beständigkeit (nämlich mit sehr geringer Beständigkeit im sauren und einer relativ hohen Beständigkeit im neutralen Bereich). Nachträglich geführte Experimente belegen die Genauigkeit der Vorhersage.
Desktop-Design neuer Glaszusammensetzungen
Bereits heute können wir viele Glaseigenschaften zuverlässig modellieren und folglich auch am Computer entwerfen, noch bevor die erste Versuchsschmelze angesetzt wird. Wir erwarten, dass sich durch die systematische Anwendung und den konsequenten Ausbau des Konzepts die Entwicklung von Glaszusammensetzungen mit gewünschten neuen Eigenschaften über die zeitaufwändige und kostenintensive Methode des Trial and Error weitgehend ersetzen lässt. Dabei bezeichnet der Begriff „Eigenschaften“ nicht nur irgendwelche Werkstoffdaten wie die Dichte oder den Wärmeausdehnungskoeffizienten, sondern auch komplexe Verhaltensmuster wie die chemische Beständigkeit. Über die „drei Dinge“ des Modells lassen sich solche komplexen Muster bequem erschließen. Betrachten wir zum Beispiel ein Glas, das einer korrosiven Flüssigkeit ausgesetzt ist. Das Problem wird in drei Teilprobleme zerlegt, die einzeln behandelt werden können:
Basis für eine quantitative Hochtemperatur-Reaktor Technologie
In gleicher Weise kann das Erschmelzen eines Glases aus einer Rezeptur von Rohstoffen analysiert werden, indem man die folgenden Teilprobleme behandelt:
Auf diese Weise erhalten wir Zugang zu den beim industriellen Glasschmelzen beteiligten reversiblen und irreversiblen Energieanteilen. Wie für zahlreiche industrielle Gemengesätze nachgewiesen, ist die Genauigkeit heutiger Modellierung besser als 5 Prozent. Die zuletzt beschriebene Anwendung des Modells führt nicht notwendigerweise zu innovativen Glaszusammensetzungen, bildet aber eine Basis für eine quantitative Hochtemperatur-Reaktor-Technologie der Glasschmelze.
Glas | kristallines Gegenstück |
kristallines Gegenstück | Einzelne Oxide |
einzelne Oxide + Flüssigkeit |
Reaktionsprodukte |
Glas + Medium | Reaktionserzeugnisse |
Basis für eine quantitative Hochtemperatur-Reaktor Technologie
In gleicher Weise kann das Erschmelzen eines Glases aus einer Rezeptur von Rohstoffen analysiert werden, indem man die folgenden Teilprobleme behandelt:
Rohstoffe | einzelne Oxide + Gemengegase |
einzelne Oxide | kristallines Gegenstück zum Glas |
kristallines Gegenstück | Glas |
Rohstoffe | Glas + Gemengegase |
Auf diese Weise erhalten wir Zugang zu den beim industriellen Glasschmelzen beteiligten reversiblen und irreversiblen Energieanteilen. Wie für zahlreiche industrielle Gemengesätze nachgewiesen, ist die Genauigkeit heutiger Modellierung besser als 5 Prozent. Die zuletzt beschriebene Anwendung des Modells führt nicht notwendigerweise zu innovativen Glaszusammensetzungen, bildet aber eine Basis für eine quantitative Hochtemperatur-Reaktor-Technologie der Glasschmelze.
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