Von der Röhre in den Trichter

Bei spezialisierten Recycling-Unternehmen werden ganze End-of-Life-Bildröhren ausgeliefert
Trafen sich erst kürzlich internationale
Fachleute in Mainz, um
über die Zukunft der Kathodenstrahlröhre
(CRT) zu diskutieren (SCHOTT Info
94/2000), kamen jetzt erneut rund 80
Experten in die Landeshauptstadt von
Rheinland-Pfalz. Das Thema dieser zweiten
Veranstaltung war mit dem der ersten
eng verwandt: So ging es diesmal
um die Wiederverwertung von End-of-Life
Bildröhren. Gastgeber in beiden
Fällen war SCHOTT, als einer der
größten Fernsehglas-Hersteller Europas
mit einer Produktion von mehr als
200.000 Tonnen TV-Glas und zugleich
als Pionier im Recycling von Spezialgläsern
auf beiden Gebieten stark engagiert.
Und die Wiederverwertung von
Bildröhren wird ohne Zweifel an Bedeutung
gewinnen.

Das Bildröhrenmischglas wird durch Trennung, Reinigung sowie Sortierung aufbereitet
Dafür spricht einerseits die Tatsache,
dass die gute, alte Braunsche Röhre
noch längst nicht am Ende ist, auch
wenn Konzepte für flache Schirme
im PC- und Fernsehbereich an Boden
gewinnen. Bis 2005, so die Prognose
des amerikanischen Marktforschungsinstituts
Stanford Resources Inc., wird
die Zahl der produzierten CRT-Einheiten
weltweit sogar von zuletzt 275 Millionen
auf 349 Millionen weiter deutlich
ansteigen – immerhin ein Plus von nahezu
27%.
Andererseits kann die bisher praktizierte
Deponierung von gebrauchtem Fernsehglas
als Sonderabfall sicher keine
Lösung bleiben, so die durch-gängige
Meinung aller Teilnehmer
des Symposiums.
Auch eine Verwendung als
Bergversatz- oder Straßenbaumaterial
hat sich nicht als er-folgsversprechend
erwiesen.

SCHOTT verwendet Scherbenglas aus gebrauchten Bildröhren als Ausgangsmaterial für neue Trichter
Allein in Deutschland fallen
jährlich rund 1,8 Millionen
Tonnen elektrische und elektronische
Geräte zur Entsorgung
an. Einen erheblichen
Anteil an diesem Abfallaufkommen
haben Fernsehgeräte
und Monitore, deren
Hauptbestandteil die Bildröhre
ist. „Deshalb stehen alle Hersteller
von Fernsehglas gemeinsam
in der Verantwortung,
hochwertiges Altglas in
ihrer Neuproduktion einzusetzen“,
erklärt Franz Puder,
im Umweltbundesamt (UBA)
u.a. für die Belange der Glasindustrie zuständig. Und in der Tat besteht
ein Fernsehgerät zu über vier
Fünfteln aus zwei Glassorten: Zum einen
werden Röhrenhals und Konus (Trichter) aus Bleiglas hergestellt, das etwa
einen Gewichtsanteil von rund 25%
hat, zum anderen wird für den Schirm
barium- und strontiumhaltiges Glas verwendet,
das bis zu 60% am Gesamtgewicht
der Bildröhre ausmacht.
Zusammensetzung von
Trichterglas vereinheitlicht

Im Scherbenlager bei SCHOTT wartet das aufbereitete Bildröhrenglas auf seine Wiederverwertung
Eine wertstoffliche Verwertung wird dadurch
erschwert, dass zudem jeder
Gerätelieferant eigene Glasrezepturen
für beide Anwendungsbereiche verwendet
und beim Neuglas sehr enge Spezifikationen
einzuhalten sind. Ein wichtiger
Schritt in Richtung eines geschlossenen
Kreislaufs wurde erreicht, als sich die europäischen
Bildröhrenglas-Erzeuger Philips,
Samsung, Thomson, NEC und
SCHOTT auf einen Zusammensetzungsbereich
für Trichterglas verständigten,
der eine möglichst hohe Recyclingquote
ermöglichen soll. Diese „Vorlage“ hat
SCHOTT als erster aufgenommen und in
Kooperation mit Aufbereitern von
Bildröhrenglas ein eigenes Verfahren
zum Wiedereinsatz entwickelt.
Die Glasspezialisten aus Mainz haben
1999 begonnen, eine Mischung aus einem
Drittel Konus- und zwei Drittel
Schirmglas in der Schmelze für neue
Trichter einzusetzen. Recyclat in der
benötigten Qualität, also frei von Metallen,
Gummi, Kunststoffen und Keramik,
wird derzeit von zwei Aufbereitern, der
GRIAG Glasrecycling AG in Werder bei
Neuruppin und der RtG Recycling technischer
Gläser in Reddeber bei Wernigerode,
bereitgestellt. „Wir verwenden dieses
Material in unserer Trichterwanne
mit einem konstanten Anteil von 6%
der Schmelzleistung“, erklärt Dr. Eckart
Döring, im SCHOTT Unternehmensbereich
Fernsehen u.a. für Spezialglasrecycling
und Prozessoptimierung zuständig. Da
aber die Mixtur etwa zwei Drittel
Schirmglas enthält, kann die zugesetzte
Menge nicht beliebig gesteigert werden.
Schirm- und Konusglas
getrennt aufarbeiten
Um diese Situation zu verbessern, sind
weitere Fortschritte bei der Sammellogistik
und der Zerlegung von TVs und
Monitoren notwendig. So muss die
Trenntechnik ganz eindeutig dahin gehen,
dass Konus- und Schirmglas separat
erfasst und aufbereitet werden. „Die hier
erzeugte Qualität und Sortenreinheit bestimmt
nicht nur den erzielbaren Preis,
sondern beeinflusst die ganze nachfolgende
Aufbereitung“, bestätigt Thomas
Oberle, Referent Neue Geschäfte im
Unternehmensbereich Fernsehen bei
SCHOTT. Unter diesen Voraussetzungen
hat SCHOTT seine Zielvorstellungen deut-lich
erhöht – „40 bis 50% End-of-
Life Bildröhrenglas in der Konusglas-schmelze
sollten möglich sein“, prognostiziert
Oberle.